Entstehung des Lahnmarmors
Villmar an der Lahn ist das Zentrum der Vorkommen und der Verarbeitung des sogenannten Lahnmarmors, eines wegen seiner reichen Farbigkeit hochgeschätzten Kalksteins, der nicht, wie Marmor, in größerer Tiefe unter sehr hohen Druck geriet (dabei hätte er seine Farbigkeit und seine dekorative Zeichnung verloren).
Entstanden ist der Lahnmarmor als Sedimentgestein und aus Riffen des Devonmeeres vor ca. 380 Mio. Jahren. Zu dieser Zeit lag die Region knapp südlich des Äquators. Durch Erdplattenverschiebungen driftete die Gegend immer weiter nördlich. Aus dem Devonmeer stiegen die ersten Wirbeltiere an Land.
Der hohe Kalkgehalt des Devonmeeres begünstigte das Wachstum von Muscheln, Krebstieren und Schnecken sowie der Riffbildner: Schwämme, Stromatoporen und Korallen. In flachen Lagunen verrottete ein reicher Pflanzenwuchs; der im Faulschlamm entstehende Kohlenstoff färbte den sich bildenden Kalkstein schwarz und grau. Eine lebhafte vulkanische Tätigkeit ließ eisenhaltiges Wasser über den sich bildenden Kalkstein fließen und in ihn eindringen – es färbte ihn hell- und dunkelrot, braun und gelb. So entstanden die vielen Varietäten des Lahnmarmors, vom schwarzen, weiß- oder goldgeäderten Schupbacher bis zum schwarz-rot-geflammten Unica und zum hellrot geschleierten Bongard in Villmar.
Entdeckt und abgebaut wurde der Lahnmarmor nach bisheriger Meinung seit dem 16. Jahrhundert; Grabungen im Römerlager Xanten lassen heute vermuten, dass ihn schon vor 2000 Jahren die Römer kannten und nutzten.
Das im Jahr 2016 eröffnete Lahn-Marmor-Museum zeigt die Entstehung des Lahnmarmors, seine Vorkommen, die Geschichte und Techniken seiner Gewinnung und die Verarbeitung und Anwendung. Das Museum bringt die örtliche Industriekultur vergangener Jahre in Erinnerung. Viele Menschen der Region lebten damals vom Abbau und der Verarbeitung des Lahnmarmors.
Lahnmarmor fand vielfache Verwendung in „prominentem“ Bauwerken, so z.B. in den berühmten Epitaphien des Mainzer Domes, beim einzigen Apostelgrab nördlich der Alpen in der Abtei St. Matthias in Trier, im kaiserlichen Treppenhaus des Berliner Doms, im barocken Marmorbad des Weilburger Schlosses, an den Altären der Mannheimer Jesuitenkirche und der Klosterkirche Amorbach, in Stationen der Moskauer U-Bahn, in der Aula der Universität Zürich, im Bahnhof Haidarpascha in Istanbul, in der Eremitage in St. Petersburg, in der Eingangshalle des Empire State Buildings in New York, im Wiesbadener Kurhaus oder im Palast des Maharadja von Tagore in Indien.
Die Entstehung eines Stromatoporen-Riffs im Devonmeer ist nirgendwo in der Welt so klar zu sehen wie im Naturdenkmal Unica-Bruch in Villmar.
Der Aufschluss im Villmarer Unica-Bruch eine in zwei Terrassen gegliederte, etwa 6 Meter hohe, 15 Meter breite, gesägte Wand – gilt als ein sehr seltenes, vielleicht in der ganzen Welt sogar einmaliges Zeugnis der Entwicklung eines Stromatoporen-Riffs.
Stromatoporen sind urtümliche, in Haufen- bis Dampfdomform lagig wachsende Meerestiere des Devon, die sich auf felsigem Untergrund ansiedelten. Stromatoporen sind älter als die Korallen und starben offenbar mit dem Ende des Devonzeitalters aus. Die Stromatoporen gelten neben Schwämmen und Korallen als Riffbildner des Devonmeeres.
Im Villmarer Riff werden etwa 20% der Stromatoporen in der Lebendsituation gefunden, die übrigen sind abgelöst, umgestürzt und z.T. in Trümmer zerschlagen. Anhand der Stromatoporen, die sich in Lebendstellung befinden, lässt sich das Wachstum des Riffs verfolgen. Sedimente decken immer wieder die Stromatoporen zu, die sich ihrerseits bemühen, wieder über die Sedimentschicht hinauszuwachsen. Im Sediment sind Reste von Muscheln, Schnecken, Seelilien usw. enthalten. Die Form des Riffs mit Brandungs- und Leeseite zeichnet sich im umgebenden Sediment deutlich ab.