Titelbild Marktflecken Villmar

Villmarer Neubürger lernen die Vergangenheit ihrer neuen Heimat kennen

Museumsführer Wolfgang Höhler hat interessierte Villmarer Neubürger ins Staunen gebracht. Eine Führung durch das Lahn-Marmor-Museum und zum Unica-Bruch mündete in die Erkenntnis, dass ihre neue Heimat eigentlich weltberühmt ist.

Zehn Erwachsene und sechs Kinder sowie die Initiatorinnen Angelika Guidry, erste Vor-sitzende, und Monika Müller, zweite Vorsitzende des Helferkreises Villmar und Ideenge-berin, begannen ihre Zeitreise in zwei Gruppen im Museum. Schon die Einladung zum Kennenlernen der Vergangenheit „ihrer neuen Heimat“ hatte nicht nur Abdelrazaq Hasan stark berührt, wie er in seinem Dank zum Ausdruck brachte. Nun also die Geschichte des Lahnmarmors. Gesteinsproben, Geräte, Abbautechniken, das interessierte die Kinder besonders, Ahmad Ibrahim fragte häufig aufmerksam nach. Transport und Verarbeitung des Lahnmarmors sind ebenfalls mit viel Bild- und Textmaterial oder kunsthandwerklichen Objekten anschaulich präsentiert und werden vom ehemaligen Steinmetz  Wolfgang Höhler verständlich erläutert. Das kommt an, schließlich hatte er schon oft Schulklassen und Kindergruppen zu Gast.

Und er berichtet Unglaubliches. Der vielfältig farbige und schön marmorierte Massen-kalkstein, besonders aus der ehemaligen Marmormetropole Villmar, nicht nur in Kirchen und Schlössern in Deutschland, z. B. im Berliner Dom, sondern auch in der Moskauer Metro und gar im Empire-State-Building in New York verbaut? „Ich wusste gar nicht, dass Villmar so berühmt ist!“, sagt Maher Akeed beeindruckt. Und da hat er noch nicht die Unicawand gesehen, eines der bedeutendsten Stromatoporenriffe, seit 2005 ‚Nationales Geotop‘. 380 Meter entfernt, jeder Schritt auf dem erdgeschichtlichen Weg symbolisiert eine Million Jahre zurück bis zur Entstehung im Devonmeer. Unterwegs können die Besucher sich auf Tafeln über weitere Erdzeitalter informieren.

Wolfgang Höhler macht am Zweimeter-Zollstock als Zeitstrahl für 4,6 Milliarden Jahre, dem geschätzten Alter der Erde, deutlich, dass die Menschen erst ab den letzten Millime-tern Teil dieser Erde sind. An der 15 Meter breiten und sechs Meter hohen gesägten Wand über zwei Terrassen, an der Höhler einst selbst mit geschliffen und poliert hat, gibt es viel zu entdecken. Die Kinder finden nach den Hinweisen des Erzählers vor allem Stromatoporen, aber auch Korallen, Seelilien, Schnecken, besser: versteinerte Kalkbe-standteile der Lebewesen, die das Riff aufgebaut haben. Nach Vulkaneinbrüchen einsi-ckerndes eisenhaltiges Wasser hat den an sich weißen Kalkstein ins Rot des oxydierenden Eisens gefärbt, entstanden ist der berühmte schwarz-rot geflammte „Unica-Marmor“. Faszinierend für die Zuhörer, dass man auch die Störungsphasen bei den Ablagerungen durch Erdbeben oder Tsunamis im Stein erkennen und unterscheiden kann.

Aram hebt ein schön geformtes Kalksteinchen auf und fragt höflich, ob er es mitnehmen darf. Alle schmunzeln und Wolfgang Höhler fordert auch den neugierigen Ahmad auf, einen größeren Brocken zu Hause schön glatt zu schmirgeln. Die Besucher sehen auf dem Weg zurück zum Museum an der Tafel „Natura Trail“, dass es sich lohnt, einmal die knapp neun Kilometer lange Strecke nach Aumenau zu wandern, durch das Natura-2000-Gebiet. In den Hängen des Lahntals hat auch wieder ein Uhu seine Jungen groß gezogen, weiß Höhler. Und es gibt einigen „Marmor am Fluss“ zu entdecken und vielleicht sogar in alten Steinbrüchen Fossilien zu finden.

Von Jürgen Weil