Titelbild Marktflecken Villmar

Informations-Veranstaltung zur Erstaufnahme-Einrichtung in ehemaligem Einkaufsmarkt – 300 Besucher zeigten großes Interesse an der Flüchtlings-Situation

Der große Saal der König-Konrad Halle Villmar war bis auf den letzten Platz besetzt, etwa 300 waren gekommen, um sich über die aktuelle Flüchtlingssituation in Villmar zu informieren.

Es herrschte fast eine Art Aufbruchsstimmung im Saal, einige wollten am liebsten sofort mit dem Helfen anfangen, mussten sich dann aber belehren lassen, dass auch das „freiwillige Helfen wollen“ erst organisiert werden muss.

Bürgermeister Arnold Richard Lenz eröffnete die Veranstaltung: „Wir wollen heute nicht über die große Politik diskutieren, sondern darüber, wie wir in Villmar mit der Situation umgehen können“ gab er zu verstehen. Seit dem 8. Dezember werden im alten REWE-Markt in Villmar Flüchtlinge untergebracht. Es handelt es sich hier um eine Erstaufnahme-Einrichtung für maximal 200 Personen. Der Aufenthalt der Flüchtlinge dauert zwischen drei und fünf Tagen, in Einzelfällen – z. B. beim Fehlen von nötigen Papieren – auch schon mal bis zu drei Monaten. Neben diesen grundlegenden Informationen konnte man bei der Veranstaltung auch Einzelheiten über das Lager selbst erfahren. Betrieben wird es von der „Gesellschaft für Ausbildung und Beschäftigung“ (GAB). Deren Geschäftsleiter Wolfgang Koch berichtete über die Gegebenheiten in Villmar: „Innerhalb kürzester Zeit mussten die Räumlichkeiten hergerichtet werden. Stellwände wurden in dem leeren Raum aufgestellt, die jeweils eine Rückzugsmöglichkeit für bis zu acht Menschen bieten. Da der Markt über keine sanitären Anlagen verfügte, wurden Container mit Waschgelegenheiten und WCs auf dem Parkplatz davor bereitgestellt.“ Ein Catering-Unternehmen versorgt die Menschen dreimal täglich mit Essen, ein Wachdienst sorgt rund um die Uhr für Sicherheit.

Ein Thema war auch der große Zaun rund um das Gelände. Er dient einmal als Schutz für die Flüchtlinge, andererseits soll er ein Stück weit die Privatsphäre der untergebrachten Menschen wahren. Allerdings wird er in den nächsten Tag ein Stück zurückgesetzt, damit die Fußwege rund um den Markt wieder begehbar sind, versprach Bürgermeister Lenz. Knuth Rehn von der Flüchtlingshilfe Weilburg informierte über die ehrenamtliche Hilfe in Weilburg. Zwar macht ein auf länger angelegter Sprachkurs angesichts der kurzen Verweildauer der Menschen wenig Sinn, aber erste Worte auf Deutsch wie „Guten Tag“, „Danke“ oder „Bitte“ kann man auf jeden Fall schon mal vermitteln. Auch das Thema Sachspenden kam zur Sprache, wo und wann die abgegeben werden können. Dazu empfahl Rehn eine Zusammenarbeit mit der Flüchtlingshilfe Weilburg. In Waldhausen gibt es ein Lager, in dem Kleider und andere Sachspenden gesammelt und von dort aus sinnvoll verteilt werden können. Villmar könne sich jederzeit dort „bedienen“ oder auch Spenden anliefern, war Rehns Vorschlag.

Damit die Villmarer Bürger und die Flüchtlinge eine Chance haben einander zu begegnen und kennenzulernen, wird über die GAB demnächst ein Raum angemietet, der als Treffpunkt dient. Verantwortlich für die Organisation der Einrichtung und – fast – immer vor Ort ist Diplom Wirtschafts-Ingenieur Meysam Ehtemai. Auch er stand Rede und Antwort, zum Beispiel bei der Frage aus dem Publikum nach geschächtetem Fleisch für die Muslime. „Wir versuchen permanent den Menschen das Beste zu ermöglichen, viele Gesundheitsbestimmungen müssen erfüllt sein. Anhand der vielen Gruppierungen ist es allerdings nicht möglich, auf alle Rücksicht zu nehmen“, erklärte Ehtemai.

Im Verlaufe der Veranstaltung wurde immer wieder deutlich, dass zur Bewältigung der Problematik ein „langer Atem“ nötig sein wird, und neben der bereits bestehenden und bestens funktionierenden Flüchtlingshilfe in Villmar viele weitere ehrenamtliche Helferinnen und Helfer gebraucht werden. Ein Besucher kritisierte, dass es viele gibt, die helfen wollen, allerdings fehle es an Ansprechpartnern von denen man „Hilfe in Sachen Helfen“ bekommen könne. Ingrid Pohl von der Villmarer Verwaltung machte darauf aufmerksam, dass es bereits eine Liste gäbe, auf der auch schon einige Villmarer eingetragen wären. Sowohl sie selbst aber auch ihre Kollegin Rabia Karakoyun nehmen weitere Hilfsangebote gerne telefonisch entgegen, darüber hinaus war am Ende der Veranstaltung Gelegenheit, sich auf den bereitliegenden Listen einzutragen. Der Vorschlag aus dem Publikum, noch mehr auf der Gemeinde-Homepage oder dem Gemeindeblatt zu „werben“, wurde von Bürgermeister Lenz dankend angenommen.

Zum Thema „Helfen“ informierte auch Andreas Börner vom Sozialamt Limburg/Weilburg darüber, dass es bereits im Januar einen Kurs für Menschen geben wird, die tiefer in die Thematik einsteigen wollen. Der Kurs beginnt am 13. Januar, weitere Informationen gibt es über das Sozialamt. Auch die Frage nach dem fehlenden Wohnraum für anerkannte Flüchtlinge kam zur Sprache. Zwar war Rehn der Meinung, dass es sehr positiv wäre, wenn diese Menschen nicht in Ballungsräume abwandern, sondern sich hier in der Region niederlassen würden. Die Frage eines Besuchers, ob es dadurch zu „Zwangseinsiedlungen bei anderen Bürgern“ kommen könne, wurde allerdings selbstverständlich verneint.

Zum Schluss befragte Bürgermeister Lenz Kriminal-Kommissar Jürgen Pörtlein nach der „Kriminalität“ im Zusammenhang mit der Villmarer Einrichtung. Pörtlein, verantwortlicher Betreuer des Lagers, gestand wohl ein, dass es hin und wieder zu Auseinandersetzungen komme, allerdings auch nicht mehr als in der übrigen Gesellschaft. Im Hinblick darauf, dass diese Menschen sehr dicht aufeinander rücken müssen und zudem aus völlig verschiedenen Nationen kommen, lassen sich Missverständnisse nicht immer vermeiden.

Auch wenn am Ende der Veranstaltung der eine oder andere befürchtete, dass man die Ehrenamtsbereitschaft der Villmarer Bürger überschätze, wurden doch an diesem Abend sowohl von Seiten des Podiums als auch aus den Reihen der Besucher sehr viele Impulse gegeben, die anderes vermuten und hoffen lassen. gbr